Besuchen Sie die Beta-Version des neuen HLS-Auftritts.
  
10/03/2005

Frondienste

Als von einem Herrn (mittelhochdt. vron- = Herren-) geforderte und nicht entlöhnte Arbeitsleistungen gehörten F. gemeinsam mit den Natural- und Geldabgaben zu den Feudallasten.

Ihr Ursprung lag im früh- und hochma. Villikationssystem (Fronhof). Rechtlich beruhten sie auf der im Hofrecht festgehaltenen Herrschaftsbeziehung zwischen dem Grundherrn und den Bauern, welche die Huben und kleineren Güter der Villikation bewirtschafteten. Je nach Umfang des zum Zentralhof gehörenden Sallands bedurfte dessen Eigentümer oder Verwalter zusätzlich zum Einsatz von Hofhörigen der Arbeitskraft dieser Bauern und ihrer Angehörigen, v.a. zur Bewältigung von Arbeitsspitzen (Pflügen, Aussaat, Ernte).

Die F. gliederten sich zum einen in nach Flächen bemessene Stückdienste und nach Tagen oder Nächten gezählte Zeitdienste. Zum andern unterschied man den Handdienst einer Person vom Spanndienst eines Gespanns. Diese Formen kamen v.a. im Getreide-, Gras- und Weinbau zur Anwendung, häufig auch im Transportwesen, zudem in der Textilherstellung und in andern Handwerken.

Im Gebiet der Schweiz sind F. erstmals im 8. Jh. in den Grundherrschaften des Klosters St. Gallen sowie der Zacconen (Viktoriden) in Churrätien nachzuweisen; angenommen werden sie auch für das Südtessin in langobard.-karoling. Zeit. Es handelte sich in der Regel um Pflug-, Saat-, Ernte- und Transportdienste im Umfang weniger Tage im Frühjahr und Herbst. Nach einer Zeit dürftiger Überlieferung lassen die Acta Murensia für die Herrschaft des Klosters Muri im 12. Jh. auf eine aussergewöhnlich grosse Bedeutung der F. schliessen. Inhaber von Huben hätten demnach an mehr als 260 Tagen bzw. Nächten pro Jahr Pflug-, Fuhr-, Hand- und Wachtdienste leisten sollen.

Vom 13.-15. Jh. spielten F. in den Herrschaften der West- und Deutschschweiz eine immer kleinere Rolle. Sehr oft wurden sie in Geldzinsen umgewandelt, mitunter auch abgelöst. Im Pachtsystem der Südschweiz waren sie ganz verschwunden. Grund für den Bedeutungsverlust der F. war der Zerfall der Villikationen und damit ein Rückgang der grundherrl. Eigenwirtschaft. Das Eindringen des Geldverkehrs in die ländl. Wirtschaft beschleunigte den Prozess. Wo Eigenwirtschaft weiter bestand, stützte sie sich v.a. auf Lohnarbeit. Diese war wirksamer als wenig motiviert geleistete F., die der Herrschaft überdies Nebenkosten für Verpflegung und Ausrüstung verursachten. So beruhte im 15. Jh. nur ein kleiner Teil der von Lehenbauern geleisteten Arbeit in der Klosterwirtschaft der Abtei Rüti auf F.n; der Rest war mit den Grundzinsen aufgerechnete Lohnarbeit.

Im SpätMA forderten auch Landesherren wie die Savoyer Fronen. Hierunter fielen etwa Unterhaltsarbeiten an der Burg Chillon, die aber bereits Mitte des 13. Jh. in Geldzinsen umgewandelt waren. Der ebenfalls als Frondienst ausgeführte Wegunterhalt am Gr. St. Bernhard blieb dagegen als Arbeitsleistung bestehen, da der Passverkehr den betroffenen Leuten im Val d'Entremont Gewinn einbrachte.

Obwohl die F. gegen Ende des 15. Jh. kaum mehr ins Gewicht fielen, zählten im Berner Twingherrenstreit um 1470 die Fuhrdienste zu den vorrangigen Streitpunkten zwischen den Gerichtsherren und dem Rat der expandierenden Stadt Bern. Die Abschaffung der F. gehörte zu den Forderungen, die in ländl. Unruhen, etwa im Zürcher Waldmannhandel 1489 oder während des Bauernkriegs 1525, wenn auch erfolglos, gestellt wurden.

In der frühen Neuzeit erweiterte sich die Begriffsbedeutung. So galten auch die nach Bedarf vereinbarten Leistungen für die Dorfgemeinschaft oder die von Landvögten bzw. dem Staat geforderten Arbeiten (z.B. im Strassenbau) als Fronen. Die F. grundherrl. Ursprungs blieben als Geldzinsen bestehen, so die von Bern noch im 18. Jh. in der Waadt geforderten Pflug-, Ernte- und Fuhrdienste.

Am 4.5.1798 beschlossen die helvet. Räte die entschädigungslose Aufhebung aller persönl. Feudalrechte, zu denen offenbar auch die F. gehörten. Im Gegensatz zu den Grundzinsen und Zehnten waren F. danach im Prozess der Ablösung der Feudallasten kaum mehr ein Thema.


Literatur
– Schaefer, Sottocenere, 57
– O. Dessemontet, La seigneurie de Belmont au pays de Vaud, 1154-1553, 1955, 257 f.
Zugänge zur bäuerl. Reformation, hg. von P. Blickle, 1987, 46, 69, 90, 94 f.
LexMA 4, 986-989
– H.-W. Goetz, «Beobachtungen zur Grundherrschaftsentwicklung der Abtei St. Gallen vom 8. bis 10. Jh.», in Strukturen der Grundherrschaft im frühen MA, hg. von W. Rösener, 1989, 221-223
– P. Dubuis, Une économie alpine à la fin du Moyen Age, 2 Bde., 1990
– W. Rösener, Grundherrschaft im Wandel, 1991
– A. Zangger, Grundherrschaft und Bauern, 1991, 252-263
GKZ 1-2
HbGR 1, 132

Autorin/Autor: Alfred Zangger