Die C. ist eine Erneuerungsbewegung, die in allen christl. Konfessionen Fuss gefasst hat. Sie strebt die Erneuerung der Kirchen und der Liturgie durch die Öffnung des Menschen für die Kraft des Hl. Geistes an. Charismatisch heisst sie deshalb, weil sie den bibl. Geistesgaben (griech. charismata) wie Heilung, Befreiung, Prophetie und Zungenreden grosse Bedeutung beimisst. Die C. entstand 1960 in den USA und erreichte rund zehn Jahre später die Schweiz. C.en gibt es weltweit; mehrheitlich entfalten sie sich innerhalb der bestehenden Kirchen, einige bilden freikirchl. Gemeinschaften.
In der Westschweiz gingen erste Impulse von der ref. Ligue pour la Lecture de la Bible aus, deren Mitglieder auch in den Kirchgemeinden tätig wurden. In der Deutschschweiz entstanden anfänglich drei Bewegungen, die in gegenseitiger Anerkennung zusammenarbeiteten: 1972 fand in Zürich eine Veranstaltung statt, an der Christen von ihren Erfahrungen berichteten, die sie in Deutschland mit der C. gemacht hatten. Daraus entwickelte sich die innerkirchliche prot. Gebetsbewegung Gemeinde-Gaben-Dienste, getragen von Hans Meier, Hanspeter Jäger und Robert Rüegg. Den Anstoss für die zweite Bewegung gab ein Treffen mit dem Pfingstprediger David du Plessis. Angeregt von dieser Veranstaltung wurden bis 1995 Seminare für Pfarrer und Gemeindemitglieder durchgeführt. 1976 entstand die kath. Kreuz-Jesu-Gemeinschaft, die heute in Melchtal als Lebensgemeinschaft weiter besteht. Ebenfalls in den 1970er und 80er Jahren kam es in der Deutschschweiz zu mehreren Neugründungen von charismat. Kirchgemeinden, so der Neutestamentlichen Gemeinde Bern (1981) oder der Freien Christl. Gemeinde Rotkreuz (1982). Einzelne von ihnen entwickelten eine starke Eigendynamik. Die meisten -- bei den Katholiken alle -- blieben ihrer Kirche treu.
Im ausgehenden 20. Jh. sind zudem Gruppen entstanden, die als eine Art intensivierte Variante der C. verstanden werden können. Eine von ihnen ist die Gemeindeaufbau-Bewegung Dritte Welle des Hl. Geistes (oder Power-Evangelisation), die v.a. auf die Evangelisation in bereits bestehenden Gemeinden Wert legt. Deren Verband, die Vineyard Christian Fellowship, verfügt in der Schweiz über fünf Gemeinden. Einige der neuen Bewegungen wurden seitens der Öffentlichkeit und der offiziellen Kirche kritisiert. Gewarnt wurde u.a. vor Sonderoffenbarungen und der Hinwendung zu esoterischem oder fundamentalist. Gedankengut.
Literatur
– H. Kägi, Der Hl. Geist in charismat. Erfahrung und theol. Reflexion, 1989
– O. Eggenberger, Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, 61994, 52, 91-107
Autorin/Autor: Hansjörg Kägi