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22/01/2008

Ilanzer Artikel

Die I. von 1524 und 1526 stellten das Landesrecht (Kirchen-, Staats- und Zivilrecht) der Drei Bünde dar. Mit ihrem Erlass durch den Bundstag wurde eine Tendenz der bündner. Verfassungsentwicklung weitergeführt, deren Anfang in der 2. Hälfte des 15. Jh. lag. Im Zuge dieser Entwicklung erhielten die Gem. zunehmend mehr Rechte. Humanismus und Reformation begünstigten die Entstehung der I. ebenso wie die gleichzeitig erfolgten Forderungen dt., tirol. und schweiz. Bauern (Bauernkrieg). Die I. waren vorwiegend von polit., sozialen und wirtschaftl. Bedingungen geprägt, womit sich in ihnen der Umbau der feudalen Gesellschaft widerspiegelt.

Die ersten 18 Artikel vom 4.4.1524 richteten sich v.a. gegen Missbräuche auf kirchl. Gebiet und enthielten bereits Kernpunkte der staatl. Kirchengesetzgebung. Geistliche durften sich nicht vertreten lassen, sondern mussten ihre Pfründen selbst versehen und waren verpflichtet, am Ort ihres Wirkens zu residieren, sich ernsthaft um die Seelsorge zu kümmern und einen seriösen Lebenswandel zu führen. Ferner wurde ihnen verboten, für todkranke Personen Testamente aufzusetzen. Die Wahl des Pfarrers durfte nur noch mit Zustimmung der Gem. erfolgen. Ausserdem enthielten die ersten Artikel eine Beschränkung der Gebühren für bischöfl. Amtsleute und ein Verbot der bischöflichen geistl. Gerichtsbarkeit in weltl. Dingen. Die Artikel von 1524 basierten auf sieben Artikeln des Grauen Bunds vom 20.4.1523 und auf einem gedruckten Entwurf mit 18 Artikeln der Drei Bünde vom 6.11.1523.

Radikaler fiel der 2. Ilanzer Artikelbrief vom 25.6.1526 aus, mit dem die Macht des Bischofs in weltl. Dingen definitiv gebrochen und Forderungen der Landbevölkerung erfüllt wurden. So verloren alle Geistlichen das Recht, weltl. Beamte zu ernennen. Kirchenrechtlich wurde die Überordnung des Staats über die Kirche und ihre Organe verstärkt. Dazu gehörten das freie Pfarrwahlrecht durch die Gem., die Aufhebung von Jahrzeitstiftungen, die Unterstellung der Klöster unter staatl. Aufsicht, das Verbot der Novizenaufnahme und die Wahl des Bischofs durch das Domkapitel mit Einverständnis des ganzen Gotteshausbunds. Im Rahmen privatrechtl. Verhältnisse wurde eine Verminderung grundherrl. Abgaben verfügt (Reduktion des grossen Kornzehnten auf den Fünfzehnten, Abschaffung des Kleinen Zehnts und des sog. Vogelmahls, d.h. der Unterstützung des Herrn bei der Jagd, Reduktion des Frondiensts auf einen Tag im Jahr). Alle Zehnten waren nun ablösbar. Die freie Erbleihe wurde als einzige gesetzesmässige Leiheform bestimmt. Die I. galten als Landesrecht des Dreibündestaates bis zu dessen Untergang 1798.


Literatur
– P. Liver, «Die I.», in Vom Feudalismus zur Demokratie in den graubündner. Hinterrheintälern, 1929, 99-107
– G. Möncke, «Ilanzer und Sarganser Artikel in einer Flugschrift aus dem Jahre 1523», in Zs.f. Kirchengesch. 100, 1989, 370-388
– I. Saulle Hippenmeyer, Nachbarschaft, Pfarrei und Gem. in Graubünden, 1400-1600, 1997

Autorin/Autor: Martin Bundi