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29/08/2016

Untertan

U. (lat. subditus) bezeichnete im SpätMA und in der frühen Neuzeit die der Territorialherrschaft unterworfene Person. Als Sammelbegriff meint U.en Gruppen mit sozioökonomisch und rechtlich unterschiedl. Status. Ab dem 16. Jh. sprach die Obrigkeit auch die Hintersassen von Zwischengewalten, z.B. einer Grund- oder Gerichtsherrschaft (Herrschaft), als U.en an.

Als Landesangehöriger unterschied sich der U. vom politisch vollberechtigten Bürger bzw. Landmann und vom rechtlosen Fremden. Er schwor der Obrigkeit Treue und Gehorsam (Huldigung), wogegen sich die Obrigkeit zu seinem Schutz, zur Wahrung der lokalen Rechte und Freiheiten sowie zu einem fürsorgl. Regiment (Paternalismus) verpflichtete. Mandate und Predigten normierten den Lebenswandel der U.en im Sinne der christl. Tugendlehre. Grundsätzlich zwar ohne rechtl. Teilhabe an der höchsten polit. Gewalt, wurden die U.en der Städteorte im 15. und 16. Jh. zu Fragen der Landespolitik angehört (Ämteranfragen). In der landesherrl. Vogteiverwaltung konnten U.en, z.B. als Untervögte, die Landvögte vertreten. Gewaltsamer Widerstand von U.en gegen die Intensivierung der staatl. Herrschaft war häufig (Soziale Konflikte, Ländliche Unruhen, Städtische Unruhen). Huldrych Zwingli und calvinist. Staatstheoretiker räumten U.en bzw. nachgeordneten Obrigkeiten theoretisch ein Widerstandsrecht gegen eine Herrschaft ein, die göttl. Gebote verletzte.

Mit der Wende vom 18. zum 19. Jh. löste der Staatsbürger mit konstitutionellen Menschen- und Bürgerrechten den U. als Bezeichnung für die zentrale polit. Angehörigkeitsbeziehung im Staat ab. Die Helvet. Republik beseitigte 1798 die Untertanengebiete ebenso wie die Gemeinen Herrschaften. Nach der Restauration hoben die liberalen Kantonsverfassungen 1831 und die Bundesverfassung 1848 (Art. 4) die Untertanenverhältnisse und alle ständ. Vorrechte der Geburt, Person oder Fam. definitiv auf.


Literatur
Idiotikon 13, 1-17
– C. Simon, Untertanenverhalten und obrigkeitl. Moralpolitik, 1981
– A. Holenstein, «Polit. Partizipation und Repräsentation von U.en in der alten Eidgenossenschaft», in Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. von P. Blickle, 2000, 223-249
Enz. der Neuzeit 13, hg. von F. Jaeger, 2011, 1095-1101

Autorin/Autor: André Holenstein