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12/02/2008

Ehaften

Als E. bezeichnete man vom MA bis ins 19. Jh. die dem Gemeinwesen unentbehrl., konzessionspflichtigen Gewerbebetriebe samt Gebäuden. Ursprünglich waren E. (mhd. ehafte = Recht, Gesetzmässigkeit, Herkommen) allg. Einrichtungen mit Sonderrecht und Servituten (z.B. Allmenden, Feuer- und Hofstätten). Ehafte Gewerbebetriebe wie Mühlen, Tavernen (Gasthäuser) und Schmieden, aber auch Backhäuser und Trotten gehörten zur gewerbl. Ausstattung ma. Grundherrschaften, in Bevölkerungszentren und Städten ergänzt durch öffentl. Bäder, Bäckereien, Metzgereien, Gerbereien und Färbereien.

In seiner Herrschaft hatte der Grundherr das Recht, E. zu errichten mit einem Einzugsgebiet, in welchem er Konkurrenz verbieten und Hörige zur Benützung der E. zwingen konnte (Twing und Bann). Zur Betreibung verlieh er sie an Berufsleute. Dasselbe Recht hatte der städt. Rat auf Stadtgebiet. Vom 16. Jh. an beanspruchten die Landesherren (Städte, Länderorte) sukzessive das alleinige Recht, auf ihrem Territorium E. zu bewilligen und zu verbieten, oft unter Missachtung der Rechte von Grundherren, was zu jahrelangen Prozessen und meist zum Sieg des obrigkeitl. Anspruchs über das grundherrl. Recht führte.

Ehaft waren in der Regel Wasserwerke (v.a. Getreide-, Papier-, Pulvermühlen) sowie Betriebe mit Feuerrecht (Giessereien, Huf-, Sensen-, Hammerschmieden). Annexbetriebe von Mühlen dagegen (u.a. Reib-, Stampf-, Öl-, Gewürz-, Sägemühlen), ferner auch Schleifereien, Bleichereien, Walkereien, Nagelschmieden usw. waren zwar konzessionspflichtig, meist aber keine E., genossen aber mit der Konzession (Freiung) Konkurrenzschutz.

Die auch als Realrechte bezeichneten E. waren an bestimmte Gebäude gebunden, an denen das Recht auch nach einer Betriebsaufgabe haftete. Mit dem Gewerbemonopol privilegiert, hatten E. vorrangig Anrecht auf Produktionsmittel (Wasserantrieb, Holzkohle, Bauholz usw.) und auf Rohstoffe (Getreide, Schlachttiere, Eisen, Farbstoffe usw.). Dazu kamen aber auch Servitute: Inhaber von E. waren zum Dienst an der Allgemeinheit verpflichtet, zur verlässl. Betriebsführung, zum ausreichenden Produkteangebot bei Qualität und festen Preisen. Tavernen waren zur Beherbergung und zur Aufsicht über ihre Gäste verpflichtet. Müller und Wirte samt Hausstand leisteten einen Berufseid. Wer seinen Auftrag nicht erfüllte, den konnte die Obrigkeit entsetzen.

Neue E. wurden erteilt, wenn am Ort nachweisbar ein Bedürfnis bestand, wobei Inhabern benachbarter E. ein Einspruchsrecht zukam. Im Ancien Régime wurden nötige E. aus Eigennutz oft verhindert, so dass auf dem Land nicht konzessionierte Betriebe (Bauernessen, Winkelschenken) wild entstanden. Die Obrigkeit erteilte daher anstelle von E. mit unwiderrufl. Realrecht auch Personalrechte auf Lebenszeit ihres Inhabers. Die Erteilung einer Ehaft kostete den Gesuchsteller eine einmalige Gebühr und jährl. Zins. Jede Änderung (Betriebserweiterung, Standortwechsel usw.) war konzessionspflichtig.

E. galten als sichere wirtschaftl. Basis. Gleichwohl gab es soziale Unterschiede: Hohe Einkommen erzielten nur E. mit Monopolstellung (u.a. Zwingmühlen, Tavernen an Transitwegen, Heilbäder) und Nebenverdienst, der eine Aufbesserung der tarifierten Einkommen erlaubte, v.a. durch Rohstoffhandel, Zusatzgewerbe (Wirte mit Brot- und Fleischverkauf) und Landwirtschaft.

Nach 1800 begann sich die Stellung der E. zu ändern: Manche fielen der industriellen Fertigung (u.a. Geräteschmieden, Papiermühlen) und dem Wirtschaftswandel (Kundenmühlen) zum Opfer. Da sie bis 1874 noch der kant. Gewerbegesetzgebung unterstanden, blieben sie, obwohl mit Gewerbefreiheit unvereinbar, in vielen Kantonen bestehen, sei es zum Schutz erworbener Rechte oder im Interesse der öffentl. Ordnung und Sittlichkeit (Gasthäuser). Erst mit der generellen Handels- und Gewerbefreiheit (BV von 1874) wurden die E. als Realrechte abgeschafft. Bewilligungen für spezielle Gewerbe (z.B. Gaststätten) und Patente (Hausierer, Wirte) sind dagegen Personalrechte.


Literatur
Idiotikon 1, 8 f.
Dt. Rechtswb. 2, 1932-35, 1221-1226
– A.-M. Dubler, Handwerk, Gewerbe und Zunft in Stadt und Landschaft Luzern, 1982, 288-316

Autorin/Autor: Anne-Marie Dubler