Als B. bezeichnet man Frauen und Männer, die, ohne die feierl. Gelübde abgelegt zu haben, allein oder in Gemeinschaft ein religiöses Leben "inmitten der Welt" führen. Der Name begina ist erstmals 1223 in den Kölner Schreinsakten bezeugt. Er deckte sich anfänglich mit dem ital. Begriff pinzochero/a für die verheirateten Büsser und Büsserinnen (poenitentes in domibus propriis), umfasste dann aber nur noch das Büssertum alleinstehender Frauen und Witwen. 1233 anerkannte Papst Gregor IX. mit der Bulle Gloria virginalis das gemeinschaftl. Leben der Beginen unter Leitung einer Meisterin und ermöglichte dadurch die Entwicklung der Beginenhöfe (ab 1240) im Bereich der nordfranz. und niederländ. Textilzentren. Nur dort wurden auch die gleichfalls in der Textilproduktion tätigen männl. Bogarden kirchlich anerkannt. V.a. durch die Dominikaner und Franziskaner (Franziskusorden) verbreitete sich das Beginenwesen im letzten Drittel des 13. Jh. in ganz Europa. Dazu trugen die Zunahme der bürgerl. Seelstiftungen und die wachsende Bedeutung des Totendienstes und der Fürbitte im Rahmen des Fegefeuerglaubens bei.
Im Gebiet der heutigen Schweiz sind die Beginen erstmals 1247 in einer Urkunde Papst Innozenz IV. für die "Beginen von Zürich" erwähnt. Ältere informelle Gemeinschaften von sog. "religiösen Frauen" waren zunächst noch einer anerkannten Klosterregel unterstellt, bzw. erhielten erst in der 2. Hälfte des 13. Jh. unter Mithilfe der Bettelorden die für das weibl. Busswesen charakterist. Strukturen. So bildeten sich zunächst in den Städten Zürich, Basel und Lausanne sowie ansatzweise in Bern in unmittelbarer Nähe der Dominikaner und Franziskaner kleinere Beginenquartiere oder Strassenzüge, bei denen die Beginensammlungen und die einzellebenden Beginen nach dem Vorbild der Beginenhöfe räumlich zusammengefasst wurden. Ein neues Element bedeutete der Aufbau einer Drittordensorganisation (Terziarinnen) durch die Franziskaner, die gleichzeitig die Beginen als Verwalterinnen von Jahrzeitgut einsetzten (in Luzern erstmals 1320 belegt, in Basel 1329). Mit der Annahme der Drittordensregel suchte die Mehrzahl der Beginengemeinschaften dem auf dem Konzil von Vienne (1311) ausgesprochenen Verbot des Beginenstatus zu entgehen. Aber auch die Symbiose von Beginen und Franziskanern stiess auf Widerstand: In Bern verhinderte der Rat eine franziskan. Monopolstellung, und in Basel entfachte Johannes Mulberg eine heftige Polemik, die den Rat 1410 dazu bewog, alle Beginen aus der Stadt auszuweisen. In den kleineren Städten und Talschaften entfaltete sich das Beginenwesen im Rahmen der Terminorganisation der Bettelorden und des Ausbaus der Pfarreien. Die Beginen wurden eingesetzt in der Krankenpflege, im Grabdienst und in der Ausrichtung von Jahrzeiten. Z.T. knüpfte das ländl. Beginenwesen an das ältere Reklusentum (Reklusen) an, das ebenfalls im 14. Jh. unter franziskan. Einfluss umgestaltet oder überhaupt neu begründet wurde. Unter Beteiligung der Benediktinerabteien St. Gallen, Engelberg und Einsiedeln erhielt das ländl. Busswesen zusätzlich einen stark eremit. Charakter (Eremiten). Im Schutz der Habsburger konnten sich die zahlreichen eremit. lebenden Bruderhäuser besser als an andern Orten vor der Inquisition retten. Im 15. Jh. waren die einzellebenden Beginen fast verschwunden und die verbleibenden Beginen- und Begardenhäuser unter Ratsaufsicht gestellt bzw. einem approbierten Orden angegliedert. Nachrichten über Bücherbesitz und Schreibtätigkeit geben Zeugnis von den Bildungsmöglichkeiten mancher dieser Gemeinschaften. In der Reformation wurden die Beginen- und Terziarinnenhäuser aufgehoben, in den katholisch gebliebenen Orten später gemäss den tridentin. Klausurvorschriften grundlegenden Reformen unterzogen. Heute bestehen Beginen- und Begardenhäuser nur noch in Belgien und den Niederlanden.
Literatur
– HS IX/2
Autorin/Autor: Martina Wehrli-Johns